Es gibt immer wieder Zweifel, ob Akupunktur mehr ist als nur ein Placebo. Dabei gibt es seit Jahren Beweise für die Wirkung von Akupunktur, sogar in Österreich1. Für jemanden, der sich schon sehr lange und ausführlich mit diesem Thema beschäftigt, ist es etwas irritierend, was da von anerkannten Ärzten als Beweis für die Wirksamkeit angeführt ist. Auch irritiert es mich, dass an der Wirksamkeit von Akupunktur gezweifelt wird. Als ob sich etwas Unwirksames über mehr als 2500 Jahre halten könnte. Da zweifelt jemand doch ziemlich an der Evolution, die Unsinniges sehr schnell und effizient entfernt.
Andererseits ist es aber auch interessant, was da herausgefunden wurde. Im Wesentlichen konzentrieren sich diese Studien auf für uns im Westen Messbares. Dabei wurde festgestellt, dass die Akupunktur zu einer Erhöhung der Blutflussgeschwindigkeit führt. Mit Hilfe der Laserakupunktur wurde auch nachgewiesen, dass es sich dabei um keinen Placeboeffekt handelt. Da wurde der Laser bei einer Gruppe einfach neben die entsprechenden Punkte gestellt, bei der anderen genau dorthin, wo es sein sollte. Und siehe da: in der einen Gruppe erhöhte sich die Blutflussgeschwindigkeit, in der anderen nicht.
In der TCM sagen wir, das Blut folgt dem Qi. Es ist also „eh klar“ dass das Blut schneller fließt. Und doch ermöglicht es, die Wirkung der Akupunktur zu verstehen. Sie führt dazu, dass entlang des jeweiligen Meridians, aber auch im zugehörigen Organ, der Blutfluss stimuliert, also die Durchblutung erhöht wird. Dies führt natürlich zu einer Steigerung der Funktionalität des Organs. Wir können davon ausgehen, dass dies nicht nur für das Blut, sondern im Wesentlichen für alle Funktionen und alle Körperflüssigkeiten funktioniert.
Umgekehrt zeigt dies aber auch die Grenzen der Akupunktur. Man sollte sie offensichtlich nicht benutzen, wenn eine stärkere Durchblutung schadet, wie bei einer offenen Wunde und wohl auch bei Krebs. Westliche Ärzte waren auch genau davor. Wie das in China gesehen wird, weiß ich noch nicht.
Unterschied zwischen Akupunktur und Akupressur
Prinzipiell können wir unser Energiesystem auf drei unterschiedliche Arten ansprechen. Klassisch nimmt man eine Nadel, es reicht aber auch, den Punkt mit dem Daumen oder einem anderen Finger zu drücken. Ja selbst die Konzentration der Gedanken auf einen bestimmten Punkt im Körper führt zu einer Aktivierung des Punktes. In der TCM bzw. im Qigong sagen wir dazu: das Qi folgt der Aufmerksamkeit. Das auf dieser Seite beschriebene Augen-Qigong, aber auch der bei Interessierten bekannte kleine Energiekreislauf zeigen dies auch eindrucksvoll.
Wo verwendet man nun Akupunktur, wo Akupressur und wo „die Kraft der Gedanken“?
Die Akupunktur ermöglicht uns, mehrere Punkte gleichzeitig anzusprechen. Diese können auch an schwer zugänglichen Punkten sein. Allerdings sind wir dabei auf die Hilfe eines Akupunkteurs angewiesen. Die Nadeln bleiben dann auch für 20-30 Minuten an derselben Stelle, sorgen also für einen ziemlich starken Reiz. Allerdings zeigt mein bisschen Erfahrung, dass es nicht immer ganz einfach ist, den Punkt zu finden und ihn dann auch zu nadeln. Beispielsweise würde ich davor zurückschrecken, Lu8 zu nadeln. Dieser Punkt sitzt direkt an der Aterie. Manche Punkte sitzen über einem Knochen, manchmal ist die Haut zu wenig gespannt, wie es bei Dü3 am Handrücken passieren kann. Aber auch die schiere Größe der Nadel im Vergleich zum Finger oder Daumen zeigt, dass letzterer mindestens 1.000 mal so groß ist wie erster.
All das mögen Gründe sein, Akupressur anzuwenden, zumal man es auch selbst ohne Risiko tun kann. Wir fahren einfach den Meridian mit den Fingern ab und suchen empfindliche Punkte, kommen so wohl auch zu anderen Stellen als es ein fremder Akupunkteur nach Lehrbuch tut und haben damit auch mehr Effizienz. Wir geben unsere eigene Energie weiter, haben wohl auch hier eine höhere Effizienz als ein uns Fremder. Allerdings geht das bei vielleicht 2 Punkten ganz gut gleichzeitig, bei mehr wird es schwierig. Auch sollte man bedenken, dass auch die Energie des drückenden Fingers wichtig ist. Dieser sollte sich also nicht verkrampfen, was schon oft zu einer ausgeklügelten Körperhaltung führt. Oft bedeutet dies auch, dass wir uns mit einem geringen Druck begnügen müssen und tiefer liegende Punkte können dann ausweichen, man ist gezwungen, diesen immer wieder neu zu suchen. Manche Punkte sind mit dem Akupressur sehr schwer anzusprechen, da ist die Nadel besser geeignet.
Die so genannten antiken Punkte lassen sich damit gut ansprechen. Dies sind Punkte, die in den Bereichen der Finger bis zum Ellbogen bzw. den Zehen bis zum Knie alle Meridiane und damit die zugehörigen Organe gut beeinflussen lassen. Mit den Einschaltpunkten am Rücken entlang des Blasenmeridians wird das schon sehr schwer bis unmöglich.
Die dritte Möglichkeit, nämlich die Konzentration auf einen Akupunkturpunkt, schränkt das noch weiter ein. Allerdings kann man mit ihr wiederum entspannter (z.B. in einer Meditationshaltung) sitzen und erreicht damit vielleicht eine bessere Wirkung. Im Augen-Qigong begnügen wir uns auch mit einer Energetisierung für ca. 5-7 Minuten. Dabei werden 16 Energiepunkte angesprochen, wobei wir symmetrisch mit beiden Augen gleichzeitig arbeiten, also immer 2 der Punkte ansprechen, einen links und den anderen rechts.
Es gibt nach meiner bisherigen Erkenntnis zwei Faktoren, die durch das Nadeln erreicht werden. Manchmal ist der eine wichtiger, dann wieder der andere. Der erste Faktor ist die Verbesserung der Durchblutung. Das Qi folgt der Aufmerksamkeit und das Blut dem Chi. Aber auch eine Verletzung führt zu einer Aktivierung des Immunsystems und damit zu verstärkter Durchblutung.
Den zweiten Faktor habe ich in einem Beitrag auf Arte zu den Faszien erfahren. So ist wissenschaftlich nachweisbar, dass Akupunktur das Fasziensystem lokal um die Nadelung entspannt. Ich habe das mittlerweile auch selbst probiert und kann diese Wirkung bestätigen. Dies ist wohl ein starker Hinweis drauf, dass die Meridiane und zusammenhängende Faszien einen ähnlichen oder vielleicht sogar identischen Verlauf haben und erklärt so die Möglichkeit der Fernwirkung. Verspannung wiederum reduziert den Blutfluss, vor allem dann, wenn sie länger anhält.
Insgesamt lässt sich bisher sagen, dass die Wirkung bei mehrfacher Anwendung abklingt. Dies ist wohl gleichbedeutend mit der Aussage, dass man Blockaden oder eben Verspannungen beseitigen kann (dabei erzielt man hohe und deutlich spürbare Wirkungen). Wenn diese behoben sind, passiert nichts Auffälliges mehr.
Auswahl von Akupunkturnadeln
Es gibt viele verschiedene Nadeln zu kaufen. Sie unterscheiden sich in Material, Griffart, Durchmesser, Länge und Beschichtung.
Ich habe mich letztlich für unbeschichtete Nadeln entschieden. Im Gegensatz dazu gibt es Nadeln, die mit Silikon beschichtet sind. Allerdings ist es nicht auszuschließen, dass ein Teil des Silikons beim Herausziehen der Nadel zurückbleibt. Dieses Silikon wird dann im Körper umschlossen und ausgesondert.
Standards für Länge und Durchmesser sind anscheinend 3 cm und 0,35 mm. Der Griff ist traditionell aus Metall und nicht aus Kunststoff, was eine engere energetische Verbindung zwischen Patienten und Therapeuten ermöglicht. Außerdem ermöglicht dies auch Elektrostimulation, worüber ich aber derzeit nicht nachdenke. Ich habe mich auch für einen glatten Griff entschieden. Mal sehen.
Vom Material her gibt es zudem noch versilberte und vergoldete Nadeln. Meine ersten Nadeln sind aus Stahl und glattpoliert.
Offene Fragen/Thesen:
- Kann man gemäß der fünf Elemente was falsch machen, indem man einen Punkt zu lange behandelt?
Also ich hab jetzt meine Dickdarmpunkte offenbar auch überstrapaziert. Das führte dazu, dass ich am Abend vor allem im linken Fuß einen „restless leg“ bekam. Ich hatte DI10 links behandelt. Erklärbar ist dies offenbar durch zuviel Yang im Magenmeridian, der an denDickdarm anschließt und vorne das Bein hinunterläuft. Genau dort war auch die Unruhe. Allerdings denke ich, dass man fließende Energie nicht überaktivieren kann und damit insgesamt kein Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen besteht. - Tonisieren/Sedieren: geht das nur über die Punktauswahl oder kann man mit Nadelungstechnik oder verwendeten Nadeln auch was beeinflussen?
Im Westen verwendet man Goldnadeln zum Tonisieren und Silber zum Sedieren. Zusätzlich lässt man sedierte Punkte etwas bluten. Auch die Stech- und Entfernungstechniken variieren etwas. Zusätzlich sticht man einmal in Meridianrichtung (tonisieren), einmal dagegen (sedieren). - Wie ist das mit den Auswirkungen auf andere Meridiane? Zeitweilig spüre ich mich während der Akupressur an ganz anderen Stellen, zuletzt in der linken Hüfte.
Diese Effekte traten seither nicht mehr auf. Das hat wohl auch etwas mit Blockaden und den bekannten Zusammenhängen der Meridiane zu tun.
Lessons learned
Wenn bei einem Auto der Auspuff verstopft ist, so hilft es nicht, wenn man den Vergaser/die Einspritzanlage reinigt. So ähnlich ist das mit der TCM.
Wenn ich die Meridiane für die Verdauung behandle, so hilft das der Leber nicht, im Gegenteil, sie wird durch eine besser funktionierende Verdauung eventuell noch mehr belastet. Warum? Weil die Behandlung der Verdauung die Durchblutung des Darms fördert. Dies kann nun bei „zu hoher Dosierung“, also bei schnell aufeinanderfolgenden Akupunktursitzungen, dazu führen, dass das im Bauch benötigte Blut an anderer Stelle fehlt. Hinzu kommt, dass da nun plötzlich auch mehr Arbeit auf die Leber zukommt (und außerdem die Niere, die energetisch die „Mutter“ der Leber ist, diese also mit ihrer Energie unterstützt), weil das Blut, das von der Verdauung kommt, ja durch Leber und Niere fließt, um dort die Nährstoffe aufzunehmen (Leber) bzw. eventuell mitaufgenommene Gifte wieder loszuwerden (Leber und Niere). Dies bedeutet, dass eine Behandlung des Dickdarms im Falle eines Energiemangels der Leber diesen Mangel an Energie weiter verschlimmern wird.
Eh klar, wird der Leser nun sagen. Allerdings ist die Diagnose in so einer Situation nicht so einfach. „Stagnierendes Leber-Qi“ kann nämlich auch zu einer trägeren, schmerzenden Verdauung führen. Es kann also die Leber schon der Engpass gewesen sein, weshalb im Bauch wenig weitergeht. Die Symptome können dabei sehr wohl Verdauungssymptome sein und auch dem Dickdarm zugeordnet werden.
In der TCM habe ich damit wohl den Kontrollzyklus ausgelöst, demzufolge das Metall das Holz kontrolliert, also in seiner Leistung drosselt. Oder auf das Beispiel mit dem Auto bezogen: der saubere Vergaser sorgt für noch mehr Stau im verstopften Auspuff.
Mir zeigte dieses Experiment jedenfalls eindrucksvoll, dass es auch mit Akupunktur zu Nebenwirkungen kommen kann. In meinem Fall war es Blutleere im Kopf und Schwindel, weil die Leber das Qi (und damit das Blut) nicht mehr richtig verteilen konnte.Gleichzeitig hat die Akupunktur sehr gut und förderlich auf die Verdauung gewirkt und jeglichen Stau beseitigt.
1Siehe Bahr[1], Seite 5ff