Wie ist es nun? Macht Sport gesund? Leistungssport offensichtlich nicht und es gibt genügend Beispiele von Hobbysportlern, die beispielsweise ihre Laufaktivitäten einschränken mussten, weil sie Probleme mit den Knien bekamen. Haben sie es nur übertrieben? Oder war es einfach die falsche Sportart?
Es ist unbestritten, dass die kurzfristige Leistungssteigerung von Herz/Kreislauf durch die sportliche Belastung zu einem „Reinigungseffekt“ führt. So wie man mit Pressluft Schmutz beseitigt, führt der erhöhte Blutdruck zu einem Reinigen von Aterien, Kapillaren und Venen. Dies ist dadurch messbar, dass sich nach regelmäßger, sportlicher Aktivität Blutdruck und Herzfrequenz in Ruhelage senken.
Ein langjähriger Freund ist im letzten Jahr an Diabetes erkrankt. Er hat mir zuletzt erklärt, dass er sich nun endlich bewegt, er oft schwimmen geht, um die Krankheit klein zu halten. Lange Jahre habe ich vergeblich auf ihn eingeredet und er hätte sich vielleicht durch mehr Bewegung den Ausbruch erspart. Heute habe ich mit ihm telefoniert und er liegt mit Grippe im Bett. Hoffentlich ist das nicht das Ende des regelmäßigen Sports. Zu gesunder Ernährung konnte ich ihn noch nicht motivieren. Das Erkrankungsrisiko – beispielsweise durch feuchte Haare nach dem Hallenbad im kalten Auto – ist mit der richtigen Ernährung sicher geringer. Hinzu kommt, dass eine gesunde Milz auch die Lunge und die Nieren fördert, die für unsere Immunabwehr zuständig sind. Umgekehrt ist Diabetes ein Zeichen für eine kranke Milz, gehört doch die Bauchspeicheldrüse nach der TCM in den Einfluss der Milz.
Campbell bringt das Beispiel von Ratten1, die bei veganer Ernährung doppelt soviel in ihrem Laufrad liefen als jene, die mit tierischem Eiweiß gefüttert wurden. Aber haben wir da nicht den Beweis für eine Umkehr? Ist es nicht so, dass ein gesunder, mit Energieüberfluss ausgestatteter Körper nach Bewegung drängt, um diese wieder loszuwerden? Sollte es nicht so sein, dass wir uns zuerst gesund ernähren und wir dann sozusagen gern Sport treiben anstatt uns dazu zu zwingen in der Hoffnung, dadurch wieder gesund zu werden (Alleine das Fehlen der Energie ist ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt).
Wenn ich an meine Qigong-Lehrer denke, so haben die vor allem eines: einen sehr, sehr großen Brustkorb. Sie haben sich durch das tägliche Üben so entwickelt, dass sie sehr, sehr viel himmlisches Qi aus der Atemluft gewinnen können. Sportler legen mehr Wert auf Ausdauer oder Kraft. In China sagt man, dass die Kraft in den Sehnen liegt, nicht in den Muskeln.
Nach neun Monaten großteils veganer Ernährung spüre ich schön langsam deutliche Verbesserungen. Ich habe mich in dieser Zeit bewegt, täglich Qigong geübt und war im Sommer wohl ungefähr zweimal pro Woche laufen, jeweils zwischen 30 und 45 Minuten, manchmal auch eine Stunde. Im Winter hab ich nichts gemacht. Nach der TCM sollte man da das YANG ins Innere bringen und eher meditieren. Dennoch war ich nach den zwei Tagen Skifahren, die auch noch durch vorher und nachher je eine Stunde Langlaufen gerahmt wurden, in keiner Weise durch Muskelkater oder sonstiges beeinträchtigt. Mir ging dabei auch nicht die Kraft aus und ich fühlte mich körperlich sehr fit. In den letzten Wochen hatte ich aber das steigende Bedürfnis nach Bewegung, und wenn es nur ein durch die Stadt streifen für ein bis zwei Stunden war.
Ich komme nun zu dem Schluss, dass sich ein gesunder, richtig ernährter Körper gern bewegt und alleine die Frage „sollte ich wieder (mehr) Sport betreiben“ ein Indiz dafür ist, dass wir zu wenig Energie über die Nahrung aufnehmen, die wir auch verwerten können. Wenn wir uns so verhalten und auf unseren Körper hören, können wir auch zwanglos mit Schmerzen umgehen. So können dann auch Knieschmerzen durch das Laufen vergehen, wenn man es zulässt. Und an dieser Stelle vielleicht eines plakativ:
Tierische Eiweiße machen fett und träge, pflanzliche wollen nicht gespeichert, sondern in Wärme umgewandelt werden.2
In der Baghavad Gita werden pflanzliche Lebensmittel, aber auch Milchprodukte als erhebend bezeichnet, während Fleisch träge machen soll3.
Zusammenfassend kann man sagen, dass wir unseren Körper, unser Blut mit der täglichen Nahrung verschmutzen und Sport zumindest die ärgsten Auswirkungen klein hält, indem es den Grundumsatz erhöht und unsere Körperfunktionen aufrecht erhält. Allerdings gleichen wir damit nur aus, was die Ernährung an Schaden anrichtet und viele geben irgendwann wieder auf, regelmäßig Sport zu treiben. Solange wir im Sport nicht irgendwelchen Zwängen ausgesetzt sind, ist dieser der Gesundheit sicher förderlich. Wenn es aber darum geht, in der Gruppe mitmachen zu müssen oder irgendwelche Wettbewerbe auszukämpfen, kann man leicht die eigenen Grenzen übersehen und in einen Bereich gelangen, der das Gegenteil bewirkt. Meist zeigt einem dann aber ohnedies der Körper die Grenzen auf.
Auch manche der Qigong-Übungen sind nichts anderes als Gymnastik. Es macht wohl einen entscheidenden Unterschied, ob der Fluss des Qi beachtet wird oder nicht. Schon der Gelbe Kaiser weist darauf hin, dass Praktiken des Daoyin, eine Kombination aus Dehnungsübungen, Massage und Atemtechniken, zur Unterstützung des Energieflusses wichtig waren, um gesund ein hohes Alter zu erreichen4.
Nachstehend noch eine andere Sicht.
Sport ist ein wichtiger Faktor zur Bestätigung unseres Egos. Wie weit wir laufen können, wie schnell wir eine Strecke schaffen, wie schnell wir einen Gipfel erobern. Er zeigt uns auch mit zunehmendem Alter unsere Leistungsfähigkeit. Im Teamsport kann das schnell einmal jenseits der gesunden Vernunft sein. Aber abseits davon, was ist für unsere Gesundheit nun wirklich wichtig?
Es sind wohl vier Dinge: Muskelaufbau bzw. -erhaltung, die Stimulierung der Verdauung, das Abatmen von Säureüberschüssen und die Aufnahme von frischer Atemluft.
Für den Muskelaufbau ist in der TCM die Milz zuständig, die Leber für Sehnen und Kraft. Es gibt Aussagen von Leuten, die es wissen sollten, nach denen es bereits ausreichend ist, wenn man einen Muskel nur wenige Sekunden pro Tag anspannt, um die Leistungsfähigkeit zu erhalten. Muskelaufbau, um schön zu sein, ist wieder eine Sache für das Ego, dem ich hier nicht länger nachgehen möchte.
Die Stimulierung der Verdauung erreichen wir durch Bewegung, aber auch durch tiefe Atmung. Auch das trägt wesentlich zur Gesundheit bei.
Spannender wird es bei den beiden anderen Punkten, die beide mit unserem Atmen zu tun haben. Da ist einerseits das Einatmen, mit dem wir frische Energie, das Himmels-YANG, bekommen. Es wird in der Lunge mit den von der Milz geliefertem Nahrungsessenzen zu dem wahren Qi zusammengebaut, das den Körper nährt und durch die Meridiane fließt. Das ist die Energie, die uns befähigt, unsere Ziele zu erreichen oder – viel lapidarer – morgens aus dem Bett zu kriechen. Haben wir zu wenig davon, sind wir nach dem Essen müde. Man kann das auch Kondition nennen, also die Fähigkeit, dem Körper über längere Zeit diese Energie zur Verfügung zu stellen. Doch während das Einatmen zur Lunge gehört, ordnen die Chinesen das Ausatmen der Niere zu. Und hier sind wir wieder beim Säure-/Basengleichgewicht. (Zuviel) Säure entsteht durch falsches Essen und durch Stress. Diese Säure werden wir einerseits über den Urin, andererseits über das Ausatmen los. Aus Sicht der TCM sind das beides Funktionen der Nieren.
Qigong hilft uns bei allen diesen Punkten, auch beim Muskelerhalt. Es ist immer wieder ein Wechsel zwischen Anspannung und Loslassen und viele Qigong-Übende haben eine gute Figur. Dabei spielt auch die Konzentration auf die Atmung eine wesentliche Rolle und viele der Übungen werden über die Atmung gesteuert. Das Loslassen ist auch gut für die Verdauung, ebenso die Grundstellung im Qigong, die für eine möglichst aufrechte Wirbelsäule sorgt. Aber im Gegensatz zu Sport steht hier nicht die Leistung im Vordergrund und Ehrgeiz schadet eher, als er hilft. Hier geht es darum, die Mitte zu finden, sich ausbalanzieren. Damit ist die Gefahr der Überforderung minimal. Außerdem kann man Qigong auch im Sitzen oder sogar nur in der Vorstellung üben. Also selbst wenn einen ein Unfall oder ein gesundheitliches Problem aus der Bahn wirft, muss man diese Art der Betätigung nicht stoppen, wie das bei den meisten Sportarten der Fall wäre. Gerade hier werden die Vorteile von Qigong gegenüber Sport sichtbar und darum eignet sich Qigong auch dazu, die Gesundheit alter Menschen zu steigern oder zu erhalten.
1Siehe Campbell, Seite 150
2Siehe Campbell, Seite 149
3Siehe Yogananda, Seite xxx
4Siehe Gelber Kaiser, Seite 16. Daoyin ist eine alte Bezeichnung für Qigong. Hier wird außerdem auf die Wichtigkeit des Energieflusses verwiesen.