Hier sollte an erster Stelle der Begriff „Emotion“ definiert werden. Ich möchte dies für den weiteren Gebrauch als „Einfluss des Gefühlslebens auf unsere Handlungen und unser Denken“ definieren.
Diese Definition hört sich vielleicht etwas sperrig an, aber was macht man damit, wenn es heißt, wir sollten unsere Wut zügeln? Ich erlebe es immer wieder, dass da in mir etwas ist, was einfach passiert. Oft merkt man auch erst spät danach, dass die Reaktion nicht wirklich angemessen war, wenn man sich das überhaupt eingesteht.
Umgekehrt betrachtet könnte man vielleicht sagen, es gibt einen „idealen Weg“, der aus dem rationalen Verhalten heraus bestimmt werden könnte. Niemand kann diesen Weg gehen, jeder hat seine irrationalen Verhaltensweisen und alleine die Definition dieses Wegs ist schon schwierig. Irrationales ist dabei keineswegs negativ. Wieso sollte man nicht einen Umweg machen, wenn man dabei ein schönes Erlebnis hat? Der Weg des Lebens ist keine Gerade und schon alleine deshalb voller Überraschungen.
Dennoch werden die Leser mit mir übereinstimmen, dass es Emotionen gibt, die uns schaden, wenn wir ihnen nachgeben, sei es ein Übermaß an Faulheit (zu viel Freude an etwas) oder auch zu viel Angst. Und viele der Leser werden sich vielleicht außer Stande sehen, diesen Zwängen zu entkommen. Aber genau dabei hilft Qigong. Dies erfolgt nicht in einem großen Schritt, einem deutlichen „Aha-Erlebnis“, sondern langsam und kontinuierlich. Wir werden in die Lage versetzt, wieder etwas zu wagen, uns Ziele zu setzen, deren Erreichbarkeit wir vorher schon belächelt haben. Die Stärkung der Nieren gibt uns wieder Mut, über Zäune zu steigen, Grenzen zu überwinden. Wir bekommen wieder den Glauben an Dinge, die wir schon vor langer Zeit aufgegeben haben. Wir kommen in die Lage, unserer Wut zuzusehen, wie ein externer Beobachter. Wir spüren, wie sie aufsteigt, erkennen die Knöpfe, die da gedrückt wurden, die Auslöser, die die Reaktion hervorriefen. Wir sind vielleicht bald in der Lage, den Ausbruch in eine andere Richtung zu leiten, anstatt loszuschreien besonnen zu reagieren, die Wirkung unserer Reaktion zu vergrößern. Wir sind in solchen Situationen plötzlich nicht mehr hilflos, sondern in der Lage, den Auslöser abzuschwächen, vielleicht sogar irgendwann abzustellen. Wir können plötzlich etwas gegen unsere Einsamkeit tun, sind wieder in der Lage, auf andere Menschen zuzugehen und stellen fest, dass die gar nicht so feindlich und abweisend sind, wie wir immer glaubten. Und wir gewinnen wieder Vertrauen in unsere Umgebung, je mehr wir unsere Mitte festigen und uns erden.
Das alles kann Qigong bewirken, indem es die Energie wieder ins Fließen bringt und damit den einzelnen Organen wieder die notwendige Energie gibt. Nur das Fehlen von Energie – oder auch ein Zuviel davon – führt zu unangemessenen Emotionen und das Ergebnis von regelmäßigem Üben ist der Ausgleich dieser Defizite oder Überschüsse.