Worum geht es bei der Meditation? Als ich das vor kurzem gefragt wurde, war mir gar nicht klar, wie sinnvoll und wichtig diese Frage ist. Mittlerweile gibt es viele Arten von Meditationen, wenngleich wohl all diese „Abarten“ nur eine Art Flucht vor der wahren Meditation sind.
Eigentlich geht es an dieser Stelle darum, die Gedankenströme loszuwerden, das „Gedankenpferd“ zu zähmen, zur Ruhe zu kommen, leer zu werden. So einfach ist das, aber gleichzeitig auch so schwierig. Wer es je versucht hat, wird festgestellt haben, dass der Geist keine Ruhe gibt. Dass es da immer wieder Ablenkungen gibt, die einem in den Sinn kommen, und seien es nur die entferntesten Geräusche, der eigene Herzschlag oder das Summen im Ohr, die man in der Stille plötzlich wahrnimmt.
Doch genau darum geht es hier. Ich schenke mir diese paar Minuten. In dieser Zeit muss ich nichts anderem hinterherlaufen, keine Probleme lösen, keine Bedürfnisse befriedigen. Da darf ich einfach nur da sein. Vielleicht so, wie manche gerne in der Sonne liegen oder wie man auf einem Berg die gute Aussicht genießt oder nach getaner Arbeit einen Moment innehält. Genauso. Man muss jetzt auch nicht krampfhaft versuchen, leer zu werden oder die Energie irgendwohin zu lenken. Lasst es sein, einfach nur sein lassen.
Das alles ist jetzt nicht so einfach erreicht, aber glaubt mir, es wird mit jedem Tag ein bisschen besser. Und wenn da ein Problem ist, das Euch beschäftigt, so lasst es zu, ihr bekommt ohnedies keine Ruhe, wenn ihr versucht, es wegzuschieben. Wenn möglich, so löst es vorher oder schreibt es Euch auf oder macht etwas, damit ihr es loslassen könnt. Oder aber ihr widmet Eure Zeit an diesem Morgen oder zu dieser Stunde eben diesem Problem und werdet morgen wieder leer.
Zwang ist an dieser Stelle verkehrt und doch ist es wichtig, dass wir jeden einzelnen Versuch dem eigentlichen Thema widmen, wenn es irgendwie geht. Wie der Bambus nicht versucht, dem Wind zu trotzen, aber wieder aufsteht, sobald er vorbei ist. Also wenn man auch gestern ein Problem lösen durfte, so soll es nicht zur Gewohnheit werden, dass man sich ein Thema sucht, welches es zu lösen gilt. Das Ziel ist, leer zu werden und mit der Leere kommen wir letztlich in die Aufmerksamkeit, werden aufnahmebereit der Umwelt und auch uns selbst gegenüber. Die Wichtigkeiten verschieben sich, wir lernen, uns zu hören, uns zuzuhören, beginnen, im Innen zu leben und nicht mehr im Außen.
Es ist neben dem Leerwerden mindestens ebenso wichtig, dass man die Meditationshaltung erlernt. Da gibt es Lehrer, die Abkürzungen empfehlen, Meditieren im Sitzen oder auf Kissen oder Schemeln. Ja, wenn man körperlich nicht in der Lage ist, die Meditationshaltung einzunehmen, so ist das eine Alternative. Ich hatte kaputte Hüften und da war der Lotussitz nicht machbar. Aber auch nur dann – und wiederum gilt: sucht keine Ausreden und lasst diese auch nicht gelten!
Also zur Meditationshaltung. Das Ziel ist zumindest der halbe Lotussitz. Man setzt sich auf den Boden, am besten auf einen Teppich, an eine Stelle, wo es warm ist und nicht zieht, wo man hinter sich eine feste Wand hat in einem Raum, der aufgeräumt ist, gut durchlüftet und ohne üble Gerüche. Ich beginne mit dem Schneidersitz und massiere dann Mi41. Nach ein paar Sekunden lege ich den linken Fuß unter den rechten und den rechten so über den linken, dass das Fußgelenk zwischen Unter- und Oberschenkel Platz findet. Damit sind die Fersen zwar etwas vom Gesäß weg, aber meine Fußgelenke sind gut entspannt.
Danach versuche ich nun, den Rücken zu entspannen. Dies erreiche ich durch Dehnungen im Kreis gegen den Uhrzeigersinn. Dabei gehe ich jedem Schmerz nach, so weit es geht, verhart ein bisschen in dieser Stellung. Wichtig ist dabei, dass man zwischen der Brust- und der Lendenwirbelsäule unterscheidet. Die Brustwirbelsäule erreicht man durch starkes Senken des Kopfes, die Lendenwirbelsäule, indem man den Brustkorb bewegt. Wenn die Schmerzen zu stark werden, so geht man weiter, probiert es bei der nächsten Runde oder auch am nächsten Tag.
Ich hatte lange Zeit das Problem, dass meine Dehnung nicht ausreichte. Gerade im Beckenbereich muss man in der Lage sein, entspannt zu sitzen, ohne dass es einen nach hinten zieht. Wenn man der Meinung ist, dass man genug gedehnt hat, richtet man sich auf. Ich beginne dabei immer mit leichter Vorlage. Wenn ich zu weit nach hinten komme, spannen sich meine Oberschenkel. Wenn ich zu weit vorne bin, kann ich meine Schultern nicht loslassen. Gerade diesen einen Punkt zu finden, der da dazwischen ist, das ist die Kunst der richtigen Haltung. Wenn man ihn erreicht hat, dann merkt man, wie die Schultern ihre Anspannung verlieren, wie sie sich senken und senken, wie sich die Schultergelenke nach hinten bewegen und die Schulterblätter nach unten, wie die Haut am Rücken plötzlich ihre Spannung verliert, wie es zu kribbeln beginnt und das Blut wieder fließt.
Erst in dieser Position kann das Chi, die Energie über die Wirbelsäule nach oben bis in den Kopf gelangen. Sie kommt dann ganz von selber, da braucht man sonst nichts mehr tun. Erst jetzt ist man bereit für die Meditation und ich denke, dass es ganz wichtig ist, diesen Weg zu gehen, diese Dehnungen und Entspannungen zu meistern, die Muskulatur so zu trainieren, dass der Körper in dieser Position verharren kann, vielleicht auch einmal stundenlang. Erst dann macht die Meditation einen Sinn. Man kann auch nicht eine Wallfahrt mit dem Bus machen und gleich in die Kirche gehen und sich den Weg ersparen. Beides gehört zusammen.
Die Übung ist zu Ende, wenn ich das Gefühl habe, dass der nächste Schritt kommt. Dies erfolgt ziemlich von alleine. Der nächste Schritt ist die Abschlussübung des dreifachen Reibens.
Exkurs zu den körperlichen Schwachpunkten in der Meditation: Yogananda2 meint, dass Yoga ausschließlich dazu „erfunden“ wurde, diese Meditationshaltung einzunehmen. Mittlerweile hat sich das verselbständigt und wenn man fragt, warum wer Yoga macht, bekam ich diese Antwort noch nie. Letztlich geht es aber auch bei der Meditationshaltung darum, dass wir einige Muskeln ausreichend dehnen und andere stärken, sodass sie diese aufrechte Haltung ermöglichen. In meiner Meditationspraxis habe ich dabei die folgenden Schwächen entdeckt:
1. Das Becken. Ich brauchte auch nach meiner Hüftoperation einige Zeit, bis ich die Knie auf den Boden brachte, die Dehnung der Innenseite meiner Oberschenkel also dazu ausreichte. In diesen Bereich gehört wohl auch, dass ich danach nicht in der Lage war, auf einem flachen Boden zu sitzen, weil es mich nach hinten zog. Man benötigt also genügend Dehnung, dass man die Lendenwirbelsäule auch ein bisschen nach vorne bewegen kann. Das bedeutet, man sitzt dann auf jenen Beckenknochen, auf denen man auch am Fahrrad sitzt. Solange man das nicht erreicht hat, kippt man nach hinten bzw. verspannen sich die Oberschenkel.
2. Die Lendenwirbelsäule. Hier haben wir im Normalfall eher ein Problem der Muskelschwäche. Dieser Bereich sollte aufrecht bleiben können, vielleicht auch leicht überstreckt. Wer hier zu wenig Muskulatur besitzt, der fällt in sich zusammen und ist auch anfälliger für Probleme in der Lendenwirbelsäule.
3. Der Bereich des Brustkorbs. Hier habe ich eher wieder ein Problem der Anspannung. Wir schützen uns instinktiv, indem wir den Rücken anspannen, wie einen Panzer. Diesen Bereich müssen wir in der Übung loslassen.
4. Die Schultern. Sie gehören auch zum Panzer. Wir ziehen sie hoch, um unseren Hals zu schützen. In der Meditation fallen sie nach unten und gehen auch nach hinten. Der Rücken wird gerade, der Brustbereich wölbt sich heraus. Auch hier geht es um ein Loslassen.
5. Der Hals. Oft haben wir den Kopf in einer neugierigen Haltung zu weit vorne. Hier hilft die Vorstellung, dass der Kopf an seiner höchsten Stelle durch einen Faden mit irgendwas darüber verbunden ist, was ihn hält. Damit können wir leichter die natürliche Haltung einnehmen und auch dieser Teil der Wirbelsäule richtet sich auf.
1Der Punkt Milz 4 (Mi4) ist der Öffnungspunkt des Chong Mai, unseres wichtigsten Gefäßes. Das ist das wesentlichste Energiesystem in unserem Körper. Man spürt auch sehr schnell, dass man sich entspannt, wenn man den Punkt erwischt. Er liegt am seitlichen Rand der Fußsohle, von der großen Zehe aufwärts nach dem Ballen bis man an eine knöcherne Erhöhung kommt. Das ist ungefähr nach dem ersten Drittel des Fußgewölbes.
2Dieser Name ist bei indischen Gurus recht gebräuchlich. Ich beziehe mich auf den Autor der Bücher, die in meiner Literaturliste zu finden sind,