Gründe für Krankheit aus Sicht der TCM

Die Einstellung

Ich habe im Laufe meines Lebens schwere Erkrankungen von Personen erlebt, die mir nahe stehen. Ich denke, dass ich da eine Gemeinsamkeit gefunden habe, die ein Überstehen schwieriger Erkrankungen ermöglicht. Es ist wohl zuallererst wichtig, welche Einstellung jemand zur Krankheit oder vielleicht auch zum Leben überhaupt hat. Ich habe Menschen erlebt, die da völlig hilflos wurden. Selbst für Außenstehende einfache Änderungen in ihrem Leben waren nicht möglich, ja sie waren nicht einmal bereit, auszuprobieren, ob ihnen diese Änderung gut tun würde oder nicht. Ich denke, der wesentliche Grund hier ist eine gewisse Trägheit als Grundeinstellung im Leben, vielleicht auch fehlender Glaube an derartige Möglichkeiten.

Umgekehrt haben all diejenigen ziemlich problemlos überlebt, die bereit waren, etwas zu tun, ihr Leben zu ändern. Ich will hier keinen Schamanismus befürworten. All die Personen, die ich hier im Kopf habe, sind durch klassische Behandlungen gegangen, haben Chemotherapien über sich ergehen lassen und all die Hinweise ihrer Ärzte befolgt. Allerdings muss der Patient auch die Verantwortung für seine Krankheit übernehmen, nach der Ursache forschen und diese beseitigen und er muss vor allem während der Behandlung dafür sorgen, dass es ihm möglichst gut geht. Es gibt Studien darüber, dass Krebskranke leichter überleben, wenn sie Läufer sind und dies auch während der Behandlung weiter betreiben. Wiederum will ich hier nicht einem Arzt vorgreifen und jegliche Belastung gehört abgestimmt. Aber wenn eine Krankheit länger dauert, kann man sich nicht einfach ins Bett legen und warten, dass sie vorübergeht. Da geht der Kreislauf in den Keller.

Natürlich hilft hier Qigong, weil es einfach an die Leistungsfähigkeit angepasst werden kann. Wenn jemand nicht aus dem Bett kommt, kann er die Übungen in Gedanken ausführen und es gibt Lehrer, die meinen, das wirkt dann sechsmal so stark als wenn man die Übung tatsächlich ausführt.

Ein weiterer Punkt ist hier die richtige Ernährung. Wenn man ohnedies all seine Kraft braucht, um den Krebs zu besiegen, sollte die Nahrung leicht verdaut werden können und sie sollte vor allem auch die nötige Energie liefern. Es macht gerade in solchen Zeiten einen Unterschied, ob man am Morgen leicht aufsteht oder nicht, ob man nach ein paar Stufen schon ins Schwitzen kommt oder am Nachmittag müde wird. Mit der richtigen Ernährung geht das alles leichter.

Krankheit aus der Sicht der TCM

Krankheit entsteht nach der Theorie der TCM ursächlich immer durch ein Problem im Energiekreislauf. Ein Mangel, aber auch ein Übermaß an Energie führt zu einem Problem in einer Meridian-Leitbahn oder auch direkt in einem Organ. Dies kann bereits durch eine einzelne Mahlzeit erfolgen, die den Magen zu sehr erhitzt oder zu sehr abkühlt oder auch durch einen externen Faktor wie Wind, der uns am schweißnassen Nacken erwischt oder zu lange kalte Füße oder Hände. Der Körper wird versuchen, ein Gleichgewicht wiederherzustellen. Meist gelingt ihm dies, ohne dass es uns auffällt. Werden dabei unsere Abwehrkräfte mobilisiert, so entsteht Fieber, das die Selbstregulierung im Normalfall innerhalb von wenigen Tagen wieder herstellt.

Neben der Ernährung und klimatischen Faktoren werden in der TCM auch noch andere krankmachende Faktoren genannt. Natürlich gibt es auch hier das Konzept der genetischen Erkrankungen. Daneben wird hier ein wesentlicher Aspekt der ganzheitlichen Betrachtung wirksam, nämlich der Einbezug der Emotionen, wie bereits weiter oben dargestellt. So beeinträchtigt nicht nur zuviel Stress, der in der TCM windähnliche Wirkung hat, die Leber, sondern auch Wut und Zorn. Daraus wird ersichtlich, dass lang anhaltender Stress oder auch lang anhaltende Emotionen wie ein Brennglas auf den Organismus wirken und so zu einer Schädigung des Energiekreislaufs führen. Im Fall der Leber kann dies nun zu hochschießender Energie führen, die Anzeichen wie Migräne oder Bluthochdruck hervorbringt. Wie eingangs erwähnt gibt es immer zwei mögliche Abweichungen, nämlich zu wenig oder zu viel. Ist jetzt in der Leber zu wenig Energie vorhanden, so führt das zur Stagnation. Die Leber ist unser Antriebsorgan und soll für den reibungslosen Fluss sorgen. Wenn sie nicht richtig arbeitet, entsteht ein Völlegefühl. Dies kann im Bauchraum sein, aber auch im Brustraum oder in der Kehle, je nachdem, wo wir ohnedies bereits einen schwachen Fluss haben. Somit werden Verdauungsprobleme sichtbarer, weil die Stagnation des Leber-Qis zu Schmerzen führt. Der Bauch ist am Abend deutlich größer als am Morgen und der Schmerz ist nicht so einfach lokalisierbar, weil er herumwandert.

Auch wenn das Problem nun eigentlich beispielsweise „Reizdarm“ heißt, so wird im Sinne der TCM eine Behandlung über die Leber die Symptome lindern und wird daher stets mit einbezogen.

Was hier aber aus meiner Sicht immer wieder vergessen wird, ist die Wichtigkeit der Verdauung. Wenn in einer Stadt das Kanalsystem nicht mehr funktioniert, entstehen Krankheiten. So ähnlich geht es uns auch, wenn unsere Verdauung aus dem Ruder läuft. Wie sollen wir Neues zulassen, wenn wir den Darm voll haben? Das mag sich jetzt seltsam anhören, aber in der TCM ist der Dickdarm zuständig für das Loslassen. Ich spüre es an mir selbst, dass man nur mit funktionierender Verdauung fähig ist, Neues aufzunehmen, den Tag wieder voller Energie anzugehen und zuzupacken.

Zusammenfassend kann man also festhalten, dass die folgenden Faktoren für ein gesundes Leben wichtig sind:

  • Gesunde Ernährung mit regelmäßiger, funktionierender Verdauung
  • Maßvolle Emotionen (Zufriedenheit)
  • Richtiger Umgang mit der Umwelt (Vermeidung von klimatischen Faktoren)
  • Richtige Lebensweise (Stress, Schlafzyklus, Bewegung)
  • Gesunde Gene(2)

Wie weiter oben bereits beschrieben ermittelt der TCM-Mediziner im Zuge seiner Diagnose einmal prinzipiell, ob ein Mangel oder Fülle vorliegt. Ein ausgezeichnetes Werk dazu wurde auch dazu von Maciocia verfasst2. Wer Interesse an einer tiefergehenden Gliederung hat, findet dort auf vielen hindert Seiten eine umfangreiche Beschreibung von Symptomen und deren Zuordnung zu Mangel- oder Füllemustern zu den einzelnen Organen im Sinne der TCM.

An dieser Stelle möchte ich mich mit einer prinzipielleren Aufgliederung begnügen und teile hier nur in die folgenden vier Kategorien ein: Mangel an YIN, Mangel an YANG, Schleim und Blutstase.

Dem Kenner der Materie wird an dieser Stelle auffallen, dass die Muster Fülle an YIN und Fülle an YANG hier fehlen. Wie weiter oben bereits dargestellt wurde, bestehen Füllemuster nur akut und über einen relativ kurzen Zeitraum. Dann wird das unterlegene Element aufgebraucht und es entsteht ein Mangelmuster. Mir geht es hier nicht um ein umfassendes Werk der TCM, sondern ich möchte Hilfestellung für all jene anbieten, die bereits über längere Zeit an Symptomen leiden, die ihr Leben kompliziert oder schwer erträglich machen. Dies sind aus den oben dargestellten Gründen immer Mangelmuster. Auch wird hier nicht weiter nach Organen differenziert, wie dies bei einer genaueren Diagnose notwendig wäre. Doch erscheint mir die hier gewählte Auswahl als geeignet, um das Konzept der TCM zu verstehen.

Probleme im Qi-Fluss

Mangel an YIN

Der Mangel an YIN ist in unserer Kultur nur in extremer Ausprägung als Krankheit angesehen. Bis zu einem gewissen Grad erscheint dies heute normal bzw. wird von der Leistungsgesellschaft sogar gefordert. Ich würde sogar behaupten, es kann nie genug sein. Fehlende Aktivität wird als Schwäche, als Mangel ausgelegt.Es obliegt mir nicht, hier eine genaue Grenze zu ziehen. Oft wird ein Mangel an YIN erst ersichtlich, wenn es zu größeren Komplikationen kommt. Herzinfarkte, Kreislaufkollaps, Bandscheibenvorfälle, Burnouts, aber auch hartnäckigere Krankheiten, die einen zur Ruhe zwingen, können anzeigen, dass über längere Zeit zu viel YIN verbraucht wurde.

Anzeichen für einen YIN-Mangel sind Rastlosigkeit, Unruhe, zu wenig Schlaf, Zeichen der Hitze und Hitzeunverträglichkeit oder auch nervöse Tics. Oft ernähren sich solche Menschen auch zu fett, essen zuviel Fleisch oder Meeresfrüchte und würzen zu stark.

Emotional geht es um Besitz, immer mehr, Vorankommen, aber auch um Versagensängste, die sich zunehmend einstellen, wenn das YIN der Niere verbraucht wird. YIN bedeutet hier Substanz, aber auch Flüssigkeiten. Auch robuste Naturen werden in die Knie gezwungen, wenn sie über lange Zeit zu wenig auf sich achten.

Mangel an YANG

Dieser Mangel ist für uns leichter erkennbar und äußert sich beispielsweise in Antriebslosigkeit, Depression, Problemen mit dem Aufstehen am Morgen oder ständiger Gewichtszunahme, aber auch ungewöhnlichem Wärmebedürfnis. Die westliche Empfehlung lautet hier oft „mehr Bewegung“, was ja auch einem Ausgleich des fehlenden Yangs durch Zufuhr von YANG (Bewegung) entspricht.

Emotional finden wir hier Menschen, die sehr vorsichtig sind oder keine Entscheidungen treffen. Ernährungstechnisch finden wir hier vielleicht Stimulanzien wie Alkohol oder Kaffee, die das Aufwachen am Morgen erleichtern.

Natürlich müssen nicht alle diese Symptome gleichzeitig auftreten und so können auch Personen mit einem Mangel auf YANG beispielsweise sehr auf ihre Linie achten. So ist bereits jedes einzelne der hier aufgezählten Symptome, wenn es über einen längeren Zeitraum auftritt, ein Zeichen für einen Mangel.

Eine bekannte Heilpraktikerin brachte noch folgendes auf den Punkt: energetisch bleibt alles im Gleichgewicht. Wenn wir also einen Mangel an Yang haben, dann haben wir einen Überschuss an Yin, also an Flüssigkeiten oder besser gesagt, an Feuchtigkeit. Am besten ist das am Darm beobachtbar und da macht es auch physiologisch einen Sinn. Ein schwacher Darm, dem es an der Kraft der Ausscheidung mangelt, kann nur mehr feuchten Kot verarbeiten. Trockener Kot würde gar nicht mehr ausgeschieden werden. Umgekehrt ist also die Feuchtigkeit auch ein Hinweis auf einen Yang-Mangel, in diesem Fall des Dickdarms, vielleicht auch durchaus weiter der Milz. Auch die Milz wird ja bekanntlich feucht, wenn sie schwach ist, weil sie die Feuchtigkeit nicht mehr los wird. Und die Milz ist ja – wie schon erwähnt – für die Verdauung zuständig. Auslöser dieser Feuchtigkeit kann zuviel Süßes (über einen längeren Zeitraum) sein, da Süßes Feuchtigkeit bindet und daher im Übermaß die Milz schädigt, die Trockenheit liebt.

Schleim

In der TCM ist das Konstrukt Schleim ein sehr weitreichendes und geht über das hinaus, was wir im Westen darunter verstehen. Dazu gleich mehr.

Schleim entsteht einmal in der Milz aus unverwertbaren Nahrungsmitteln. Vielleicht ist der Vergleich mit den Microplastikabfällen in den Fischen geeignet, das Problem darzustellen. Der Körper nimmt was auf, was er nicht verarbeiten kann. Die Milz transportiert die Bestandteile der Nahrung nun zur Lunge, damit diese mit der Luft angereichert zur Energie werden. Die nicht verwertbaren Bestandteile werden nun in der Lunge als Schleim sichtbar und schwächen die Lunge. Diese wird anfälliger für Erkältungen und versucht, durch Husten den Schleim wieder loszuwerden.

In einem aktiven Organismus mit viel Bewegung und Sport wird dies leichter gelingen, doch je älter dieser Organismus wird, desto mehr Schleim wird abgelagert.

Es gibt auch noch andere Möglichkeiten der Entstehung von Schleim. Ähnlich wie der Schlamm in einem trägen Fluss liegen bleibt, so kann aus zuviel Feuchtigkeit im Körper, die zu wenig bewegt wird, ebenfalls Schleim entstehen. Auch Knoten oder Ablagerungen in arthritischen Gelenken zählen zum Schleim.

Schleim sorgt nun für eine Irritation im Fluss. Er ist zäh und träge, schwierig zu entfernen und zählt gemeinsam mit der Blutstase zu einem sekundären Merkmal, also einer tieferen Erkrankung als nur ein Problem im Energiefluss. Die Behandlung durch TCM, sei es durch Akupunktur oder durch Kräuter, wird nun versuchen, den Schleim auszuleiten. Dazu werden bestimmte Akupunkturpunkte, aber auch die Eigenschaften der Kräuter gemäß den Geschmacksrichtungen verwendet. So löst Salz beispielsweise Schleim auf. Voraussetzung für eine Schleimbeseitigung ist allerdings auch eine Stärkung des jeweiligen Organfunktionskreises, also beispielsweise der Lunge, damit diese wieder genügend Kraft hat, dem Schleim entgegenzuwirken. Schleim ist prinzipiell YIN und tritt bei einem Mangel von YANG auf.

Blutstase

Wenn eine Irritation im Energiekreislauf über eine längere Zeit besteht, so hat dies Auswirkungen auf den Blutfluss. Dieses beginnt dann langsamer zu fließen, es kommt zu Stagnation und in der Folge zu einem Stau, zu einer Blutstase. Heider de Jahnsen beschreibt die Stagnation dabei in drei Stadien(3).

Im ersten Stadium zeigen sich auf der Haut Pigmentflecken heller oder dunkler Färbung und Altersflecken. Diese treten im Bereich der Störung, beispielsweise an den Schultern, den Rippen und unterhalb der Rippen, auf. Dies sind Zeichen dafür, dass der Stoffwechsel nicht mehr so richtig funktioniert und weisen auf einen falschen Umgang mit Ressourcen und Kapazitäten hin. Treten diese Symptome entlang von Leitbahnen auf, so können sie auf Störungen im zugehörigen Organ hinweisen. Hierunter fallen auch kleinere Krampfadern oder Besenreiser. In diesem Stadium ist eine Prognose gut und eine Heilung kann noch vollständig gelingen. Aus Sicht der Blutbahnen gibt es hier wohl erste, ernstzunehmende Ablagerungen in den Venen.

Im zweiten Stadium werden die Pigmentierungen dunkler und sind nicht mehr so einfach umkehrbar. Auch kommen nun kleine rote Punkte und die Venen werden sichtbar breiter. Die Haut zeigt deutliche Zeichen von Trockenheit und wird großflächig rauer. Oft häufen sich diese Symptome im Bereich der Schlüsselbeine und am Nacken. Verstärkte Hornhautbildung und Knochenneubildung (Fersensporn und Hallux Valgus) gehören ebenfalls zu den hier angezeigten Symptomen. Auch die Bildung einer verstärkten Hornhaut unterhalb der zweiten Zehe passt in dieses Bild. Menstruations- und Verdauungsprobleme weisen auf bestimmte Organe hin. Es kommt zu Verspannungen und nervösen Tics oder auch zu Verletzungen, die einen zur Ruhe zwingen. Eine Heilung erfordert hier schon mehr Konsequenz und geht nicht mehr so einfach, ist aber immer noch möglich. Die Bereiche Lebensweise, Emotionen und Ernährung müssen aber hier schon gut zusammenspielen. Arbeitet einer dieser Bereiche dagegen, wird eine Behandlung ziemlich langwierig und meist wieder abgebrochen, weil deutliche Resultate fehlen. Aus Sicht der Blutgefäße werden hier wohl die Umgehungen immer stärker.

Im dritten Stadium wird die Pigmentierung im Gesicht dunkler und das Weiß der Augen gerötet oder unklar. Es gibt größere Leberflecken oder Male und deutlich degenerative Prozesse. Es entwickeln sich Geschwüre oder Tumore oder auch Arthrose und Bandscheibenvorfälle. Eine Behandlung erfordert hier einen Spezialisten und kann mit der nötigen Konsequenz in allen beteiligten Gebieten zum Erfolg führen.

1Allerdings sagt hier Campbell, dass auch kranke Gene aktiviert werden müssen. Das Aktivieren erfolgt meist durch ein besonderes Ereignis oder eine längere Belastungsphase. Es mag für uns im Leben schwieriger werden, wenn uns unsere Gene benachteiligen, z.B. weil unsere Füße kürzer sind. Aber wir können dennoch vieles meistern.

(2) G.Maciocia, Diagnose in der chinesischen Medizin

(3) M. Heider de Jahnsen, S. 284f

Yin und Yang

Die acht Leitkriterien

Die wesentlichen Bausteine

Die fünf Elemente

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